Das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft ist ein vielschichtiger Vorgang, der weit über eine einfache Auszahlung hinausgeht. Insbesondere die Themen Abfindung, die Behandlung eines potenziellen Goodwills (Firmenwerts) und die Notwendigkeit einer Ergänzungsbilanz spielen eine zentrale Rolle und haben erhebliche steuerliche Konsequenzen. Dieser Beitrag beleuchtet die Zusammenhänge und erklärt die einzelnen Komponenten detailliert.
Wenn ein Gesellschafter aus einer Personengesellschaft (z.B. GbR, OHG, KG) ausscheidet, sei es durch Kündigung, Ausschluss, Tod oder vertragliche Vereinbarung, hat er in der Regel einen Anspruch auf eine Abfindung. Diese Abfindung repräsentiert den Wert seines Anteils am Gesellschaftsvermögen.
Der Abfindungsanspruch richtet sich grundsätzlich gegen die Gesellschaft bzw. die verbleibenden Gesellschafter. Die gesetzliche Grundlage findet sich u.a. in §§ 728 BGB (für die GbR) und entsprechenden Verweisen oder Regelungen im HGB für Personenhandelsgesellschaften. Gesellschaftsverträge können spezifische Regelungen zur Höhe und Berechnung der Abfindung enthalten, dürfen den ausscheidenden Gesellschafter jedoch nicht sittenwidrig benachteiligen.
Die Abfindungshöhe orientiert sich im Idealfall am Verkehrswert des Anteils. Dieser Verkehrswert kann erheblich vom reinen Buchwert des Kapitalkontos abweichen, insbesondere wenn stille Reserven im Unternehmen vorhanden sind oder ein über den bilanzierten Werten liegender Firmenwert (Goodwill) existiert.
Der Buchwert des Kapitalkontos spiegelt lediglich die bilanziellen Werte wider. Der Verkehrswert hingegen versucht, den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert des Unternehmensanteils zu erfassen. Dies beinhaltet:
Erhält der ausscheidende Gesellschafter eine Abfindung, die seinen Buchwertanteil übersteigt, wird dieser Mehrbetrag oft als Abgeltung für stille Reserven und/oder einen Goodwillanteil gesehen. Für den ausscheidenden Gesellschafter kann dies zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG führen.
Die Ergänzungsbilanz ist keine Bilanz im handelsrechtlichen Sinne, sondern ein steuerliches Instrument, das spezifisch für einzelne Gesellschafter einer Personengesellschaft erstellt wird. Sie dient dazu, Wertabweichungen zwischen den Ansätzen in der Gesamthandsbilanz der Gesellschaft und den individuellen Verhältnissen eines Gesellschafters auszugleichen.
Eine Ergänzungsbilanz wird insbesondere dann relevant, wenn:
Im Kontext des Ausscheidens eines Gesellschafters gegen eine Abfindung, die den Buchwert seines Kapitalkontos übersteigt, müssen die verbleibenden Gesellschafter für ihre "erhöhten" Anschaffungskosten für den übernommenen Anteil eine positive Ergänzungsbilanz aufstellen. Diese bildet den Mehrwert ab, den sie aufgewendet haben.
Schematische Darstellung der Einordnung des Firmenwerts.
In der positiven Ergänzungsbilanz werden die Mehrbeträge als zusätzliche Anschaffungskosten auf die anteilig erworbenen Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens verteilt. Soweit der Mehrbetrag nicht konkreten Wirtschaftsgütern zugeordnet werden kann (Aufdeckung stiller Reserven), wird er als derivativer (abgeleiteter) Goodwill aktiviert.
Die Ergänzungsbilanz stellt sicher, dass jeder Gesellschafter entsprechend seiner individuellen Anschaffungskosten und Wertverhältnisse besteuert wird, und gewährleistet so eine Gleichbehandlung mit Einzelunternehmern. Die in der Ergänzungsbilanz ausgewiesenen Werte (z.B. der Goodwill) werden dann über ihre Nutzungsdauer abgeschrieben, was sich auf den steuerpflichtigen Gewinnanteil des jeweiligen Gesellschafters auswirkt.
Der Goodwill, auch Geschäfts- oder Firmenwert genannt, ist ein immaterieller Vermögensgegenstand. Er repräsentiert den Wert eines Unternehmens, der über den Wert der einzelnen, bilanzierbaren Vermögensgegenstände abzüglich der Schulden hinausgeht. Dies können beispielsweise der Kundenstamm, der gute Ruf, die Marktstellung oder das Know-how der Mitarbeiter sein.
Wenn ein Gesellschafter ausscheidet und eine Abfindung erhält, die den Buchwert seines Kapitalanteils und den Wert der aufgedeckten stillen Reserven übersteigt, kann dieser Differenzbetrag als Goodwill interpretiert werden. Aus Sicht der verbleibenden Gesellschafter stellt dieser Mehrbetrag einen Teil der Anschaffungskosten für den "hinzuerworbenen" Anteil des ausgeschiedenen Gesellschafters dar.
Dieser erworbene (derivative) Goodwill muss von den verbleibenden Gesellschaftern in ihren jeweiligen Ergänzungsbilanzen aktiviert werden. Er ist abzugrenzen vom originären (selbstgeschaffenen) Goodwill, der in der Regel nicht bilanziert werden darf.
Die Zuordnung der über den Buchwert hinausgehenden Abfindung erfolgt im Rahmen einer Art Kaufpreisallokation. Zunächst werden die anteilig erworbenen stillen Reserven aufgedeckt und in der Ergänzungsbilanz mit ihren Mehrwerten angesetzt. Der verbleibende Restbetrag, der nicht spezifischen Vermögenswerten zugeordnet werden kann, wird als Goodwill aktiviert.
Der in der Ergänzungsbilanz aktivierte derivative Goodwill ist ein abnutzbares Wirtschaftsgut und kann bzw. muss steuerlich abgeschrieben werden. Diese Abschreibung mindert den steuerpflichtigen Gewinnanteil des jeweiligen Gesellschafters, für den die Ergänzungsbilanz geführt wird.
Nach deutschem Steuerrecht (§ 7 Abs. 1 Satz 3 EStG i.V.m. § 5 Abs. 2 EStG) wird ein erworbener Geschäfts- oder Firmenwert über eine gesetzlich festgelegte Nutzungsdauer von 15 Jahren linear abgeschrieben. Dies bedeutet, dass jährlich 1/15 der Anschaffungskosten des Goodwills als Betriebsausgabe geltend gemacht werden kann.
Die Folgebewertung und Abschreibung in der Ergänzungsbilanz erfolgt unabhängig von der Bewertung in der Gesamthandsbilanz der Personengesellschaft. Die Ergänzungsbilanz ist sozusagen eine eigenständige steuerliche Betrachtungsebene für den einzelnen Gesellschafter.
Die Abschreibung des Goodwills in der Ergänzungsbilanz führt zu einer Reduktion des individuellen steuerlichen Gewinns des Gesellschafters. Dies ist ein wichtiger Aspekt, der die tatsächliche Steuerbelastung der verbleibenden Gesellschafter nach dem Ausscheiden eines Partners beeinflusst.
Beispiel: Zahlen die verbleibenden Gesellschafter A und B eine Abfindung an den ausscheidenden Gesellschafter C, die zu einem anteiligen Goodwill von je 15.000 € in ihren Ergänzungsbilanzen führt, können A und B jährlich jeweils 1.000 € (15.000 € / 15 Jahre) als zusätzliche Betriebsausgabe geltend machen.
Dieses Video erläutert Aspekte der Abschreibung in einer positiven Ergänzungsbilanz, was für das Verständnis des Goodwills relevant ist.
Die nachfolgende Mindmap visualisiert die komplexen Beziehungen zwischen dem Ausscheiden eines Gesellschafters, der Abfindungsregelung, der Notwendigkeit einer Ergänzungsbilanz, der Entstehung eines Goodwills und dessen Abschreibung. Sie verdeutlicht, wie diese Elemente ineinandergreifen und die steuerliche Situation der Beteiligten beeinflussen.
Diese grafische Aufbereitung hilft, die Abhängigkeiten und den Prozessfluss besser zu erfassen. Jedes Element hat direkte Auswirkungen auf die nachfolgenden Schritte und die steuerliche Gesamtbetrachtung.
Die Höhe des in einer Ergänzungsbilanz zu aktivierenden Goodwills und die Komplexität seiner Ermittlung hängen von verschiedenen Faktoren ab. Das folgende Diagramm stellt einige dieser Einflussgrößen vergleichend für einen typischen und einen komplexen Fall dar. Die Werte sind als relative Indikatoren auf einer Skala von 1 (geringer Einfluss/Ausprägung) bis 10 (hoher Einfluss/Ausprägung) zu verstehen.
Wie das Diagramm verdeutlicht, führen insbesondere hohe stille Reserven und eine Abfindung, die deutlich über dem Buchwert liegt, tendenziell zu einem höheren Goodwill. Ein komplexer Gesellschaftsvertrag oder schwierige Verhandlungen können die Ermittlung zusätzlich verkomplizieren.
Die folgende Tabelle fasst die wesentlichen Aspekte von Abfindung, Ergänzungsbilanz, Goodwill und dessen Abschreibung noch einmal übersichtlich zusammen:
Aspekt | Beschreibung | Relevanz beim Gesellschafterausscheiden | Handhabung | Steuerliche Auswirkung (Kurz) |
---|---|---|---|---|
Abfindung | Zahlung an den ausscheidenden Gesellschafter als Ausgleich für seinen Gesellschaftsanteil. | Kompensation für den Verlust des Anteils; Basis für die Bewertung der von den verbleibenden Gesellschaftern übernommenen Vermögenswerte. | Die Höhe orientiert sich idealerweise am Verkehrswert des Anteils. Kann den Buchwert des Kapitalkontos über- oder unterschreiten. | Beim ausscheidenden Gesellschafter ggf. Veräußerungsgewinn/-verlust. Bei den Verbleibenden ggf. Anschaffungskosten für den übernommenen Anteil. |
Ergänzungsbilanz | Eine steuerliche Nebenrechnung (Bilanz) für einzelne Gesellschafter einer Personengesellschaft. | Notwendig, wenn die Anschaffungskosten (z.B. durch die Abfindung) für den übernommenen Anteil vom anteiligen Buchwert in der Steuerbilanz der Gesellschaft abweichen. | Erstellung für die verbleibenden Gesellschafter, um deren individuelle Mehr- oder Minderaufwendungen im Vergleich zur Gesamthandsbilanz abzubilden. | Ermöglicht die korrekte Ermittlung des individuellen steuerlichen Gewinnanteils der Gesellschafter; Basis für Abschreibungen von Mehrwerten. |
Goodwill (Firmenwert) | Der über den Saldo der Zeitwerte der einzelnen Vermögenswerte und Schulden hinausgehende Wert eines Unternehmens. | Entsteht, wenn die Abfindung (als Anschaffungskosten für die verbleibenden Gesellschafter) den anteiligen Buchwert und die aufgedeckten stillen Reserven des übernommenen Anteils übersteigt. | Aktivierung als immaterieller Vermögenswert in der (positiven) Ergänzungsbilanz der verbleibenden/erwerbenden Gesellschafter. | Ist als erworbener Goodwill über 15 Jahre linear abschreibungsfähig und mindert so den zu versteuernden Gewinn des jeweiligen Gesellschafters. |
Abschreibung des Goodwills | Planmäßige Verteilung der Anschaffungskosten des Goodwills über seine Nutzungsdauer. | Der in der Ergänzungsbilanz aktivierte Goodwill wird steuerlich wirksam abgeschrieben. | Lineare Abschreibung über eine gesetzlich festgelegte Nutzungsdauer von 15 Jahren gemäß § 7 Abs. 1 EStG. | Die jährliche Abschreibung reduziert den steuerpflichtigen Gewinnanteil des Gesellschafters, für den die Ergänzungsbilanz geführt wird. |
Diese tabellarische Übersicht dient als schnelle Referenz für die komplexen Vorgänge und deren steuerliche Implikationen.