Kurzarbeit und das dazugehörige Kurzarbeitergeld (KUG) sind zentrale Instrumente des deutschen Arbeitsmarktes, um in Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten Arbeitsplätze zu erhalten und Entlassungen zu vermeiden. Sie bieten Unternehmen die Möglichkeit, auf vorübergehende Arbeitsausfälle zu reagieren, indem sie die Arbeitszeit reduzieren, ohne dass Mitarbeiter ihren Job verlieren. Dies ist besonders relevant bei externen Schocks wie Lieferkettenproblemen, globalen Wirtschaftskrisen oder unabwendbaren Ereignissen. Die Regelungen hierfür sind primär im Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) festgelegt und unterliegen strengen Voraussetzungen.
Das Fundament für Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld bildet das Sozialgesetzbuch III (SGB III), welches die Arbeitsförderung regelt. Hierin sind die Anspruchsvoraussetzungen, die Dauer des Bezugs und das Verfahren zur Beantragung detailliert beschrieben. Ziel ist es, Unternehmen und Arbeitnehmern in vorübergehenden Krisenphasen eine finanzielle Brücke zu bauen, um die Wiedereingliederung in den regulären Arbeitsmarkt zu ermöglichen und den Verlust von Fachkräften zu verhindern.
§ 95 SGB III definiert Kurzarbeit als eine vorübergehende Reduzierung der betriebsüblichen Arbeitszeit. Dieser Paragraph ist der Ausgangspunkt für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Er legt fest, dass ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegen muss, um die Voraussetzungen für KUG zu erfüllen. Es geht also nicht um eine dauerhafte Anpassung der Arbeitszeit, sondern um eine Reaktion auf eine temporäre Auftragsschwäche oder ein unvorhersehbares Ereignis.
Nach § 96 SGB III wird Kurzarbeitergeld gewährt, wenn der Arbeitsausfall auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht. Wirtschaftliche Gründe umfassen beispielsweise einen massiven Auftragsrückgang, Lieferschwierigkeiten oder den Wegfall von Absatzmärkten aufgrund von Zöllen. Ein unabwendbares Ereignis könnte eine Naturkatastrophe oder eine Pandemie sein, die den Betrieb unvorhergesehen beeinträchtigt. Wichtig ist, dass der Arbeitsausfall nicht auf branchentypischen, saisonalen Schwankungen basiert (hierfür gibt es das Saison-Kurzarbeitergeld nach § 101 SGB III).
Gemäß § 104 Abs. 1 SGB III beträgt die gesetzliche Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld grundsätzlich zwölf Monate. Diese Dauer kann durch Rechtsverordnung der Bundesregierung auf bis zu 24 Monate verlängert werden, wie es beispielsweise während der COVID-19-Pandemie geschehen ist. Wenn innerhalb der Bezugsdauer für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens einem Monat kein Kurzarbeitergeld gezahlt wird, verlängert sich die Bezugsdauer um diesen Zeitraum. Sind seit dem letzten Kalendermonat, für den Kurzarbeitergeld gezahlt wurde, drei Monate vergangen und liegen die Voraussetzungen erneut vor, beginnt eine neue Bezugsdauer.
Die Einführung von Kurzarbeit ist ein gravierender Eingriff in das Arbeitsverhältnis und bedarf daher besonderer arbeitsrechtlicher Legitimation. In Betrieben, die einen Betriebsrat haben, spielt dieser eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung über die Kurzarbeit.
Der Betriebsrat besitzt ein zwingendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) bei der Einführung und Ausgestaltung von Kurzarbeit. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber die Kurzarbeit nicht einseitig anordnen kann. Ohne die Zustimmung des Betriebsrats ist die Einführung von Kurzarbeit betriebsverfassungswidrig und unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Arbeitszeitverkürzung und die damit verbundene Lohnkürzung nicht wirksam werden und der Arbeitgeber weiterhin den vollen Lohn zahlen muss. Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich auf das "Ob" der Kurzarbeit sowie auf das "Wie", also den Zeitraum, die betroffenen Abteilungen, die Verteilung der Arbeitszeit und den Umfang der Reduzierung. Der Betriebsrat kann auch Alternativen zur Kurzarbeit einfordern, wie den Abbau von Überstunden, die Genehmigung von Urlauben oder den Verzicht auf Fremdvergaben.
In der Regel wird die Einführung von Kurzarbeit in einer Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat festgelegt. Diese Vereinbarung regelt alle Details der Kurzarbeit und ist für alle betroffenen Arbeitnehmer bindend. Existiert kein Betriebsrat, muss die Kurzarbeit mit jedem einzelnen Arbeitnehmer individuell vereinbart werden. Dies erfordert die Zustimmung jedes Arbeitnehmers und kann in Form einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag erfolgen. Die individuelle Vereinbarung muss jedoch die gleichen Kriterien erfüllen, die auch für eine Betriebsvereinbarung gelten würden.
Zwei Personen besprechen mögliche Auswirkungen der Kurzarbeit auf den Betrieb.
Der Prozess zur Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld ist zweigeteilt: Zunächst muss der Arbeitsausfall angezeigt werden, und erst danach kann das Kurzarbeitergeld beantragt werden.
Bevor KUG gezahlt werden kann, muss der Arbeitgeber den erheblichen Arbeitsausfall bei der zuständigen Agentur für Arbeit schriftlich anzeigen. Dies muss bis spätestens zum Ende des Monats geschehen, für den erstmals Leistungen bezogen werden sollen. Der Anzeige ist eine Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen, falls ein solcher existiert. Mit der Anzeige muss glaubhaft gemacht werden, dass ein erheblicher Arbeitsausfall besteht und die betrieblichen Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld erfüllt sind (§ 99 Abs. 1 SGB III). Die Agentur für Arbeit prüft die Anzeige und erteilt einen schriftlichen Bescheid über das Ergebnis der Prüfung.
Nach der Bewilligung der Anzeige kann der Betrieb für jeden Kalendermonat, in dem Kurzarbeit stattfand, einen Antrag auf Kurzarbeitergeld stellen. Dieser Antrag ist innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten bei der zuständigen Agentur für Arbeit einzureichen. Die Zuständigkeit liegt bei der Agentur für Arbeit, in deren Bezirk die für den Arbeitgeber zuständige Lohnabrechnungsstelle ansässig ist. Kurzarbeitergeld wird zunächst unter Vorbehalt gezahlt und nach dem Ende der Kurzarbeit durch eine Abschlussprüfung der Agentur für Arbeit überprüft.
Dieses Radar-Chart veranschaulicht die Kernanforderungen und potenzielle Hürden bei der Beantragung von Kurzarbeitergeld. Die "Anforderungen für Kurzarbeitergeld" stellen die Idealwerte dar, die für eine erfolgreiche Beantragung erfüllt sein sollten. Dazu gehören eine fristgerechte Anzeige, die notwendige Zustimmung des Betriebsrats, klare wirtschaftliche oder unabwendbare Gründe für den Arbeitsausfall, dessen Unvermeidbarkeit und vorübergehende Natur sowie die Sozialversicherungspflicht der betroffenen Arbeitnehmer. Die "Häufigen Hürden" zeigen Bereiche auf, in denen Betriebe typischerweise Schwierigkeiten haben könnten, die vollen Anforderungen zu erfüllen, was den Beantragungsprozess erschweren oder zu Ablehnungen führen kann. Insbesondere kann die Notwendigkeit, alle Überstunden abzubauen und Urlaub zu nehmen, eine Herausforderung darstellen, bevor Kurzarbeitergeld in Anspruch genommen werden kann.
Ein wesentliches Kriterium für den Anspruch auf KUG ist ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall. Dieser muss drei Eigenschaften aufweisen:
Auch die Arbeitnehmer müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um KUG beziehen zu können:
Im Falle einer Arbeitsunfähigkeit während der Kurzarbeit gilt, dass der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung leistet, die dem reduzierten Arbeitsentgelt während der Kurzarbeit entspricht. Für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit folgt das Kurzarbeitergeld dem Arbeitsrecht. Der Urlaubsanspruch kann während der Kurzarbeit gekürzt werden, jedoch nur anteilig für die Monate, in denen die Arbeit vollständig ausfällt (Kurzarbeit Null). Wenn weiterhin gearbeitet wird, wenn auch reduziert, bleibt der volle Urlaubsanspruch erhalten.
Das Video erläutert die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Minusstunden und Kurzarbeit. Es beleuchtet, wie weit dieses Recht reicht und welche Rolle der Betriebsrat bei der Entscheidungsfindung spielt, insbesondere wenn es darum geht, die Arbeitszeit zu reduzieren oder Kurzarbeit einzuführen. Es wird hervorgehoben, dass der Betriebsrat ein gleichberechtigtes Mitspracherecht hat, was für Arbeitgeber bedeutet, dass sie ohne die Zustimmung des Betriebsrats keine Kurzarbeit anordnen können, um Entgeltkürzungen zu vermeiden.
Neben dem konjunkturellen Kurzarbeitergeld, das bei wirtschaftlichen Ursachen oder unabwendbaren Ereignissen zum Tragen kommt, existieren weitere Formen, die auf spezifische Gegebenheiten zugeschnitten sind:
Dies ist die bekannteste Form und wird bei vorübergehendem erheblichem Arbeitsausfall aus wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis gezahlt. Ziel ist die Vermeidung von Entlassungen bei temporären Krisen.
Dieses KUG ist spezifisch für Betriebe des Baugewerbes (Bauhauptgewerbe, Dachdeckergewerbe, Gerüstbaugewerbe, Garten- und Landschaftsbau) während der Schlechtwetterzeit (Dezember bis März). Es dient dazu, witterungsbedingte Arbeitsausfälle zu überbrücken und die ganzjährige Beschäftigung zu fördern.
Transfer-KUG kann bei Betriebsänderungen, die einen Personalabbau nach sich ziehen, beantragt werden. Es zielt darauf ab, Entlassungen zu vermeiden und die Vermittlungschancen der betroffenen Arbeitnehmer zu verbessern, indem Qualifizierungsmaßnahmen in der kurzarbeitsbedingten Zeit gefördert werden.
Merkmal | Konjunkturelles Kurzarbeitergeld | Saison-Kurzarbeitergeld | Transferkurzarbeitergeld |
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Gesetzliche Grundlage | § 96 SGB III | § 101 SGB III | § 111 SGB III |
Hauptzweck | Arbeitsplatzerhalt bei vorübergehendem Arbeitsausfall (wirtschaftliche Gründe/unabwendbares Ereignis) | Überbrückung witterungsbedingter Arbeitsausfälle in bestimmten Branchen (Dezember-März) | Vermeidung von Entlassungen bei Betriebsänderungen, Verbesserung der Vermittlungschancen |
Dauer des Arbeitsausfalls | Vorübergehend | Während der Schlechtwetterzeit | Dauerhaft unvermeidbar |
Betroffene Branchen | Alle Branchen | Baugewerbe (Bauhauptgewerbe, Dachdeckergewerbe, Gerüstbaugewerbe, Garten- und Landschaftsbau) | Alle Branchen |
Anzeigepflicht | Ja | Nein | Ja |
Anspruchsdauer (Regel) | Max. 12 Monate (Verlängerung möglich) | Dauer des Arbeitsausfalls während Schlechtwetterzeit | Individuell geregelt |
Qualifizierungsmöglichkeit | Ja, stark gefördert | Ja | Ja, Kernbestandteil |
Diese Tabelle fasst die wesentlichen Unterschiede zwischen den drei Hauptformen des Kurzarbeitergeldes zusammen. Während das konjunkturelle KUG eine breit angelegte Maßnahme zur Sicherung von Arbeitsplätzen in allgemeinen Wirtschaftskrisen ist, richten sich das Saison-KUG an spezifische, wetterabhängige Sektoren und das Transfer-KUG an Restrukturierungssituationen mit drohendem Personalabbau. Jede Form hat ihre eigenen Voraussetzungen und Ziele, die darauf abzielen, die Beschäftigung zu stabilisieren und die Arbeitsfähigkeit der Arbeitnehmer zu erhalten.
Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld sind unverzichtbare Instrumente im deutschen Arbeitsrecht, die sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmer in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit unterstützen. Die detaillierten Regelungen im SGB III stellen sicher, dass diese Maßnahme nur unter klar definierten Voraussetzungen zum Tragen kommt, um Missbrauch zu verhindern und die Stabilität des Arbeitsmarktes zu gewährleisten. Die zentrale Rolle des Betriebsrats bei der Einführung von Kurzarbeit unterstreicht den Schutzgedanken für Arbeitnehmer, während die verschiedenen Arten von Kurzarbeitergeld eine passgenaue Reaktion auf unterschiedliche Krisenszenarien ermöglichen. Das Verständnis dieser komplexen Materie ist entscheidend für alle Beteiligten, um Arbeitsplätze zu sichern und die wirtschaftlichen Folgen von Krisen abzufedern.