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Die Wiedergeburt der „Weltbühne“: Ein Magazin im Kreuzfeuer

Holger Friedrichs ambitionierter Neustart eines legendären Blattes und die damit verbundenen Kontroversen

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Die „Weltbühne“, eine deutsche Wochenzeitschrift von historischer Bedeutung, kehrt nach 32 Jahren Pause zurück in die Medienlandschaft. Der Berliner Verleger Holger Friedrich, bekannt als Herausgeber der „Berliner Zeitung“, hat die legendäre Publikation, die einst von Siegfried Jacobsohn gegründet und später von Größen wie Kurt Tucholsky und Carl von Ossietzky geprägt wurde, neu aufgelegt. Diese Wiederauferstehung ist jedoch nicht ohne Kontroversen, insbesondere aufgrund einer Attacke auf einen jüdischen Journalisten in der ersten Ausgabe. Die „Weltbühne“ war in der Weimarer Republik ein zentrales Organ der linken Intelligenz und wurde 1933 von den Nationalsozialisten verboten, erschien jedoch im Exil und später in der DDR weiter, bevor sie 1993 eingestellt wurde.


Wesentliche Einblicke in die Neuauflage der "Weltbühne"

  • Historische Wiederbelebung mit neuem Anspruch: Die „Weltbühne“, eine Zeitschrift mit einer reichen Geschichte, die bis ins Jahr 1905 zurückreicht und wichtige Stimmen der Weimarer Republik beheimatete, wurde von Holger Friedrich neu aufgelegt, um einen Raum für demokratischen Streit und freie Meinungsäußerung zu schaffen.
  • Kontroverser Start: Die erste Ausgabe der neu aufgelegten „Weltbühne“ sorgte unmittelbar für Diskussionen, insbesondere durch einen Artikel, der als Attacke auf einen jüdischen Journalisten interpretiert wurde, und rief damit Kritik hervor, die an alte Stasi-Methoden erinnerte.
  • Ökonomische und publizistische Ziele: Mit einer Startauflage von 25.000 Exemplaren und einem Preis von 11 Euro will die "Weltbühne" an ihre publizistische Tradition anknüpfen, während der Berliner Verlag unter Holger Friedrichs Führung gleichzeitig eine positive Geschäftsentwicklung verzeichnet und eine Gesellschafterstellung bei der dpa anstrebt.

Die "Weltbühne": Ein historischer Überblick und ihre Bedeutung

Die „Weltbühne“ war eine deutsche Wochenzeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft, die ursprünglich 1905 von Siegfried Jacobsohn unter dem Namen „Die Schaubühne“ gegründet wurde. Sie entwickelte sich schnell zu einem wichtigen Forum für die intellektuelle Linke in der Weimarer Republik. Nach Jacobsohns Tod im Jahr 1926 übernahmen zunächst Kurt Tucholsky und später Carl von Ossietzky die Leitung. Unter ihrer Ägide wurde die Zeitschrift zu einem kritischen und engagierten Blatt, das sich durch scharfe Analysen und eine antimilitaristische Haltung auszeichnete. 1933 wurde die „Weltbühne“ von den Nationalsozialisten verboten, setzte ihre Publikation jedoch im Exil fort, unter anderem in Prag und Paris, unter dem Titel „Die neue Weltbühne“. Nach dem Zweiten Weltkrieg erschien sie wieder unter ihrem ursprünglichen Namen in Ost-Berlin und wurde erst 1993 eingestellt.

Ihre Bedeutung lag in ihrer Rolle als intellektuelle Plattform für kritische Stimmen und als Sprachrohr für demokratische und progressive Ideen in einer turbulenten Zeit. Autoren wie Lion Feuchtwanger, Erich Kästner und Thomas Mann trugen zu ihrer Prominenz bei. Die „Weltbühne“ galt als „Stachel im Fleisch eines verspießerten Zeitgeists“ und war bekannt für ihre „freche und bissige, antiautoritäre und antimilitaristische, unterhaltsame und polemische“ Art.

Die Relevanz der „Weltbühne“ im Kontext der Weimarer Republik

Die „Weltbühne“ spielte eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung des öffentlichen Diskurses in der Weimarer Republik. Sie war ein Ort, an dem politische Missstände, gesellschaftliche Ungerechtigkeiten und kulturelle Entwicklungen kritisch beleuchtet wurden. Insbesondere unter Carl von Ossietzky, der für seine pazifistischen Ansichten bekannt war und 1935 den Friedensnobelpreis erhielt, wurde die Zeitschrift zu einem Symbol für Meinungsfreiheit und intellektuellen Widerstand gegen aufkommende nationalistische Tendenzen.

Die Zeitschrift fungierte als ein „Labor für neue Ideen“ und prägte eine demokratisch orientierte Leserschaft, die über die Grenzen Deutschlands hinausreichte. Sie analysierte nicht nur nationale politische und kulturelle Szenen, sondern befasste sich auch mit internationalen Angelegenheiten, inklusive Reportagen und Reiseberichte aus Europa, Russland und den USA. Dieses breite Themenspektrum und die hohe Qualität der Autoren trugen maßgeblich zu ihrem Ruf bei.

Historische Ausgabe der Weltbühne

Eine historische Ausgabe der "Weltbühne", die ihre publizistische Tradition verkörpert.


Holger Friedrichs Vision: Ein Neubeginn für den Diskurs

Holger Friedrich, Verleger der „Berliner Zeitung“, hat die „Weltbühne“ im Mai 2025 neu aufgelegt. Sein erklärtes Ziel ist es, einen Raum für demokratischen Streit und freie Meinungsäußerung zu schaffen und somit „einen Beitrag [zu] leisten, dass diese Republik nicht das Schicksal ihrer Weimarer Vorgängerin teilt“. Dieses ambitionierte Projekt versteht sich als Fortsetzung des Engagements, das Friedrich 2019 mit der Übernahme der „Berliner Zeitung“ begann. Die Neuauflage soll monatlich erscheinen, eine Startauflage von 25.000 Exemplaren haben und 30 Seiten umfassen, zum Verkaufspreis von 11 Euro.

Die Herausgeber der neuen „Weltbühne“ sind der Schriftsteller Behzad Karim Khani und Thomas Fasbender, Geopolitik-Redakteur der „Berliner Zeitung“. Die erste Ausgabe enthält Beiträge namhafter Autoren wie Deborah Feldman, Daniel-Pascal Zorn, Marko Demantowsky und Michael Andrick. Friedrich betont, dass das neue Magazin „frech und bissig, antiautoritär und antimilitaristisch, unterhaltsam und polemisch“ sein und als „Stachel im Fleisch eines verspießerten Zeitgeists“ fungieren soll.

Die Kontroverse um die erste Ausgabe

Der Neustart der „Weltbühne“ ist jedoch nicht unumstritten. Insbesondere die erste Ausgabe sorgte für Aufsehen und Kritik, da sie mit einer Attacke auf den jüdischen Journalisten Philipp Peyman Engel, den Chefredakteur der „Jüdischen Allgemeinen“, begann. Der Artikel von Deborah Feldman, der Engel mit Fabian Wolff vergleicht, der feststellen musste, dass er kein Jude ist, wurde als „hinterhältiger Angriff“ kritisiert. Der „Spiegel“ bezeichnete den Neustart der „Weltbühne“ als „Wutbühne“, was die polemische Natur des Beginns unterstreicht. Kritiker, wie die „Ruhrbarone“, sahen in der Kampagne eine Taktik, die an alte Stasi-Methoden erinnere, insbesondere im Hinblick auf Friedrichs Vergangenheit als IM „Peter Bernstein“ für den Staatssicherheitsdienst der DDR. Der Berliner Verlag und Holger Friedrich selbst verteidigen den Artikel und betonen, dass sie „zu 100 Prozent“ hinter ihrer Autorin stünden und das Jüdischsein von Philipp Peyman Engel „mit keinem Wort“ angezweifelt worden sei.

Dieses Radar-Diagramm veranschaulicht die unterschiedlichen Wahrnehmungen und Aspekte der Neuauflage der "Weltbühne" unter Holger Friedrich. Es zeigt die Spannung zwischen dem historischen Erbe, dem aktuellen Anspruch und den kontroversen Realitäten des Neustarts. Die Achsen repräsentieren verschiedene Merkmale: die Treue zur Historie (Anknüpfung an die Tradition der Weimarer Republik), den Grad der Meinungsfreiheit (Bereitstellung eines Raums für freien Diskurs), die Polarisierung der Inhalte (Bereitschaft, kontroverse Themen anzusprechen), die wirtschaftliche Nachhaltigkeit (finanzielle Stabilität des Verlags) und die gesellschaftliche Wirkung (Einfluss auf den öffentlichen Diskurs und empfundene Angriffe).


Der Berliner Verlag unter Holger Friedrich

Holger Friedrich erwarb den Berliner Verlag, zu dem die „Berliner Zeitung“ und der „Berliner Kurier“ gehören, im Jahr 2019. Dieser Kauf wurde von ihm selbst als „zivilgesellschaftliches Engagement in bewegten Zeiten“ beschrieben, das sowohl aus Profitinteressen als auch aus Idealismus erfolgte. Der Verlag hat sich unter seiner Führung positiv entwickelt und erzielte 2024 einen operativen Gewinn von 1,4 Millionen Euro (EBIT).

Friedrich verfolgt ehrgeizige Ziele für den Berliner Verlag, darunter das Bestreben, Gesellschafter der dpa (Deutsche Presse-Agentur) zu werden. Er sieht die „Berliner Zeitung“ als eine strukturell profitable und unabhängige Institution, die sich zu einer respektierten Stimme im Journalismus entwickelt hat. Die Neuauflage der „Weltbühne“ ist Teil dieser umfassenderen Strategie, weiterhin Räume für einen respektvollen und angstfreien Diskurs zu erschließen.

Medienlandschaft und Diskussionskultur

Die Wiederbelebung der „Weltbühne“ durch Holger Friedrich ist ein bemerkenswertes Ereignis in der deutschen Medienlandschaft. Es spiegelt den Wunsch wider, eine historische Marke mit neuem Leben zu füllen und den öffentlichen Diskurs zu bereichern. Angesichts der zunehmenden Polarisierung und der Herausforderungen für die Pressefreiheit, wie sie auch in der Vergangenheit durch Ereignisse wie die „Spiegel-Affäre“ von 1962 deutlich wurden, ist die Schaffung von Räumen für einen offenen Meinungsaustausch von großer Bedeutung.

Die „Spiegel-Affäre“, bei der Redakteure des „Spiegel“ wegen Landesverrats verhaftet und die Redaktionsräume durchsucht wurden, löste eine Welle des Protests aus und gilt als wichtiger Wendepunkt für die Pressefreiheit in Deutschland. Friedrichs Engagement, einen „angstfreien Diskurs“ zu ermöglichen, kann in diesem historischen Kontext gesehen werden.

Holger Friedrich, Verleger der "Berliner Zeitung", spricht über Meinungsfreiheit und die Entwicklung seines Verlags. Dieses Video bietet Einblicke in seine Vision und die Prinzipien, die hinter der Wiederbelebung der "Weltbühne" stehen könnten.

Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Fakten zur Neuauflage der „Weltbühne“ zusammen:

Merkmal Details
Verleger Holger Friedrich (Berliner Verlag)
Gründungsjahr der Original-„Weltbühne“ 1905 (als „Die Schaubühne“)
Neustart der Neuauflage Mai 2025
Erscheinungsweise Monatlich
Startauflage 25.000 Exemplare
Umfang 30 Seiten
Verkaufspreis 11 Euro
Herausgeber (Neuauflage) Behzad Karim Khani, Thomas Fasbender
Historische Leiter Siegfried Jacobsohn, Kurt Tucholsky, Carl von Ossietzky
Ziele der Neuauflage Raum für demokratischen Streit, freie Meinungsäußerung, Anknüpfung an antimilitaristische und antiautoritäre Traditionen
Kontroverse zum Start Attacke auf jüdischen Journalisten in der ersten Ausgabe

Die Kontinuität publizistischer Traditionen

Die „Weltbühne“ ist nicht das einzige Magazin, das in der Tradition der Weimarer Republik steht oder nach einer Pause neu aufgelegt wurde. Zeitschriften wie „Ossietzky“ (seit 1997) und „Das Blättchen“ (seit 1998) sehen sich ebenfalls in der Nachfolge der historischen „Weltbühne“. Dies unterstreicht die anhaltende Relevanz und den Einfluss dieser publizistischen Ära auf die deutsche Medienlandschaft. Holger Friedrichs Initiative reiht sich in diesen Kontext ein und versucht, die Werte von Pazifismus, Freiheit und einem „saftigen Leben“ in die heutige Zeit zu übertragen.

Die Diskussionen um die erste Ausgabe zeigen jedoch auch, dass die Anknüpfung an historische Traditionen in der heutigen komplexen Medienlandschaft eine Gratwanderung sein kann. Die Grenzen zwischen Meinungsfreiheit, Polemik und potenziell diffamierenden Inhalten sind fließend und erfordern eine sorgfältige Abwägung.


Häufig gestellte Fragen zur Neuauflage der „Weltbühne“

Wann wurde die „Weltbühne“ von Holger Friedrich neu aufgelegt?
Die Neuauflage der „Weltbühne“ erschien erstmals im Mai 2025.
Wer waren die prominentesten Autoren der ursprünglichen „Weltbühne“?
Zu den bekanntesten Autoren zählten Kurt Tucholsky, Carl von Ossietzky, Lion Feuchtwanger, Alfred Polgar und Thomas Mann.
Was ist das erklärte Ziel von Holger Friedrich mit der Neuauflage?
Holger Friedrich möchte mit der „Weltbühne“ einen Raum für demokratischen Streit und freie Meinungsäußerung schaffen und an die publizistische Tradition des Blattes anknüpfen.
Warum gab es Kritik an der ersten Ausgabe der neuen „Weltbühne“?
Die erste Ausgabe wurde kritisiert, da sie eine als „Attacke“ wahrgenommene Polemik gegen einen jüdischen Journalisten enthielt, was zu Vorwürfen der Rufmordkampagne führte.
Welche Rolle spielt der Berliner Verlag bei der Neuauflage der „Weltbühne“?
Die Neuauflage der „Weltbühne“ erscheint im Berliner Verlag, den Holger Friedrich seit 2019 führt. Der Verlag unterstützt dieses publizistische Vorhaben als Teil seiner Gesamtstrategie.

Fazit

Die Wiederbelebung der „Weltbühne“ durch Holger Friedrich ist ein ehrgeiziges Unterfangen, das auf eine reiche publizistische Tradition aufbaut und darauf abzielt, einen wichtigen Beitrag zur deutschen Diskussionskultur zu leisten. Trotz eines kontroversen Starts, der kritische Fragen zur Auslegung von Meinungsfreiheit und journalistischer Ethik aufwirft, bleibt das Potenzial der „Weltbühne“ als Forum für kritische Stimmen und intellektuelle Debatten bestehen. Ob sie ihren selbstgesteckten Anspruch als „Stachel im Fleisch eines verspießerten Zeitgeists“ erfüllen kann, wird die weitere Entwicklung zeigen.


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